Dienstag, 5. Juni 2012

Dienstag, 5. Juni 2012 Tel Aviv: weniger Hunde, mehr Fahrräder



Unser vorletzter Tag beginnt fast schon traditionsgemäß mit einem Besuch an der Deutschen Botschaft in Tel Aviv. Da die Erklärung Jerusalems zur Hauptstadt von den meisten Staaten (außer Südafrika) nicht anerkannt ist, befinden sich die Botschaften hier, während Regierung und Parlament in Jerusalem sind. Im Gegensatz zur letzten Studienreise (Flotilla-Affäre vor Gaza) befinden wir uns politisch in ruhigerem Fahrwasser und wir freuen uns , dass Botschafter Michaelis sich die Zeit zu einem Gespräch mit uns nimmt. Er berichtet vom Besuch des Bundespräsidenten in der letzten Woche und den sehr positiv entwickelten deutsch-israelischen Beziehungen.Es sei in der Tat so, dass Deutschland in Israel immer mehr Sympathie findet und Berlin zur Lieblingsstadt junger Israelis geworden sei. Auf dem letzten AirBerlin Rückflug aus Berlin befanden sich 137 begeisterte Israelis und ein anonymer Botschafter. Leider nimmt die Akzeptanz Israels in Deutschland eher ab, was natürlich auch unter dem Aspekt der komplizierte Gesamtsituation zu sehen sei. 

Bernd Morlock überreicht Informationen zum BAK und ein Seminarjahrbuch
Natürlich kommt das Gespräch auch relativ bald auf die aktuelle Lieferung deutscher "Atom-U-Boote", den entsprechenden Spiegel-Artikel und die dennoch guten deutsch-arabischen Beziehungen. Hier streicht der professionelle Diplomat natürlich zunächst einmal die beiden ersten Silben (Atom) und bestätigt, dass Deutschland trotz und vielleicht gerade wegen seiner guten Beziehungen zu Israel auch gute Beziehungen zu den arabischen Ländern unterhält, die nicht zuletzt im Gefangenenaustausch von Gilat Shalit  beiden Seiten auch nützlich waren. Hier in der Gegend zählten weniger normativ moralische Diskussionen als harte Realitätspolitik. Mit Blick auf Deutschland stellt der Botschafter heraus, dass hier in Israel, bei aller Modernität, die Familie nach wir vor im Mittelpunkt stünde, sodass es auch in der säkularen Gesellschaft eine relativ hohe Geburtenquote gebe. Als Glücksfall für Israel wird die russische Einwanderung der 90er Jahre betrachtet, die die Gesellschaft trotz schwieriger schulischer Rahmenbedingungen (Israel schneidet bei Pisa noch schlechter ab als Deutschland), nach vorne gebracht habe. In Deutschland werden Migrantengruppen, auch russische, häufig als Problemzone gesehen. Wir lernen nicht nur über Israel und den Nahen Osten, sondern im Nahen Osten nehmen wir auch Deutschland anders wahr. Diese positive Gestaltung der Immigration nennt übrigens auch das Buch "Start-up Nation Israel" als einen von zwei Hauptgründen für den wirtschaftlichen Erfolg Israels als High-Tech-Schmiede (Rezensionen dazu hier und hier). Der zweite Grund ist die allgemeine Wehrpflicht, die junge Leute früh Verantwortung und Führungsverhalten abfordert und den sogenannten Chutzpe-Faktor begünstige, nämlich ein außergewöhnliches Geschick, konventionelle Lösungen zu verwerfen, Rückschläge zu verarbeiten und mit Schwierigkeiten zurecht zu kommen.
Blick von der Botschaft im 19. Stock über Tel Aviv
Im Anschluss an das Gespräch führt uns Tati von Jaffa aus durch das alte Tel Aviv mit seiner Bauhausarchitektur, die nach dem Prinzip Sahnehäubchen und Karotte saniert wird. Eine zahlungskräftige Firma, z.B. eine Bank erhält ein Grundstück mit einem denkmalgeschützten Gebäude (Tel Aviv zählt wegen der Bauhausarchitektur zum UNESCO-Weltkulturerbe), darf darauf ein Geschäftsgebäude errichten (Karotte) und muss dafür das desolate Denkmal restaurieren (Sahnehäubchen).


Außerdem fällt den Rad fahrenden Karlsruhern auf, dass Tel Aviv sich zu einer richtigen Radfahrer Stadt entwickelt hat. Überall kann man sich Fahrräder leihen (Tati zeigt wie's geht, die erste halbe Stunde ist kostenlos). Zugleich meinen wir, dass die Anzahl der Hunde, die besonders auffällt, wenn man aus dem arabischen, fast Bereich kommt, wo diese als unreine Tiere eher verpönt sind, im Vergleich zu früher eher zurückgegangen sei.



Nach einem interessanten Rundgang lassen wir die -frei nach Kishon- beste Reiseführerin von allen hoch leben und verabschieden uns in einem Cafe an der Sheinkin Road.


 

Wir gehen am Strand zurück ins Hotel, wo wir für den Abend noch zwei Besucher erwarten: Dr. Sara Ziv, Leiterin des Mofet-Instituts (dem Seminar der 26 israelischen Seminare) und Dr. Moshe Granot, einen pensionierten Schulinspektor des Distrikts Tel Aviv.





1 Kommentar:

  1. Lieber Bemo,

    wie kam es denn dazu, dass der Botschafter die schwierige schulische Situation in Israel in den 90ern angesprochen hat?
    Hast Du genauere Hintergründe dazu? Ein gelungener Integrationsversuch, der sich auch in der Schule niederschlägt oder dort vielleicht seinen Ausgang nahm, ist doch immerhin bemerkenswert!

    Gruß von Rudolf

    AntwortenLöschen